Liechtensteiner Steueraffäre - Die Notwehr der Leistungsträger
Von Rainer Hank , FAS 23.3.2008
Von der Liechtensteiner Steueraffäre ist heute, gut einen Monat nach Klaus Zumwinkels Pranger, vor allem die öffentliche Empörung über die Gier der Reichen geblieben. Der Staat – mit Finanzminister Peer Steinbrück an der Spitze – wusste diese Stimmung geschickt zu nutzen zum eigenen Autoritätsgewinn: Steuerhinterziehung darf brutal verfolgt werden, gerne auch über die Grenzen hinweg und mit rechtsstaatlich fragwürdigen Methoden. Schon entsteht eine Diebesbranche, deren Geschäftszweck darin besteht, der deutschen Finanzverwaltung gestohlene Daten über Konten in der Schweiz und anderswo anzudienen.
Wer hierzulande auch nur leise Verständnis für die Steuerhinterzieher äußert, riskiert alsbald den Landesverstoß (oder den Staatsanwalt im Haus). Gut, dass wenigstens die Schweizer sich vor regierungsdeutscher Großmäuligkeit nicht wegducken. Als besonders mutig tut sich Konrad Hummler hervor, Gesellschafter des Bankhauses Wegelin & Co. in St. Gallen. In seinem neuesten Anlagekommentar (http://www.wegelin.ch/) bricht Hummler eine Lanze für die Legitimität der Steuerflucht unter den Bedingungen maroder westeuropäischer Sozialstaaten. Gewiss, Hummlers Bank – sie existiert seit 1741 und ist die älteste Privatbank der Schweiz – lebt vom Geld der Reichen (sicherlich auch der reichen Deutschen). Aber das Eigeninteresse entkräftet seine Argumente nicht.
„Ersparnisbildung außerhalb des Systems“
Und diese Argumente sind brillant. Wer den Staat nicht bloß als unangreifbar idealisiert, der wird nach der Gegenleistung fragen dürfen, die der Bürger für seine Steuern erhält. Wachsenden Budgets, die vor allem zur Finanzierung der Transfers an Arbeitslose, Rentner, Kinder oder Bauern verwandt werden, stehen schrumpfende und ineffiziente öffentliche Leistungen (Bildung, Energie, Verkehr) gegenüber. Dabei wachsen die expliziten und impliziten Transferversprechen an alle möglichen Anspruchsberechtigten ständig. Geschröpft werden die Leistungsträger der Gesellschaft und die künftigen Generationen.
Wo wird sich der Staat seinen wachsenden Finanzierungsbedarf künftig holen, wenn nicht abermals bei den Leistungsträgern? Ist es ganz abwegig, wenn diese Gruppe der Erfolgreichen deshalb über Wege nachdenkt, in Notwehr gegen den konfiskatorischen Zugriff des Staates ihr Eigentum zu schützen? Dass der Schutz des Privateigentums zu den Eckpfeilern der Rechtsstaatlichkeit zählt, muss offenbar eigens erwähnt werden in Zeiten, in denen von so vielen so gerne Enteignungträume („Eigentum verpflichtet!“ heißt der Tarnspruch) geträumt werden. „Ersparnisbildung außerhalb des Systems“ nennt der Schweizer Bankier Hummler die Steuerflucht, zwar nicht legal, aber legitim. Hummler befindet sich damit in bester Gesellschaft: Auch Wilhelm Röpke, einer der Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft, vertrat die Auffassung, Steuerflucht sei dann moralisch legitimiert, wenn sie die Antwort auf konfiskatorische Absichten des Staates sei. Hier zeigt sich, wohin wir kämen, wenn Steinbrücks Wünsche einer internationalen Egalisierung der Steuersätze wahr und alle Fluchtwege verstopft würden: Staaten könnten sich völlig ungeniert bei ihren Bürgern bedienen.
Es ist der geschichtsphilosophische Sinn des Schweizer Sonderwegs, für die Bürger anderer Staaten die fiskalpolitische Exitoption offenzuhalten. Man solle im April Frau Merkel bei ihrem Staatsbesuch in der Schweiz mit Respekt empfangen, schreibt Bankier Hummler, „aber auch mit dem Wissen, dass es sich um eine machtorientierte Verwalterin eines sozialstaatlichen und finanzpolitischen Desasters handelt“. Für einen solchen Empfang dürfen auch viele Deutsche dankbar sein.
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