Samstag, 7. April 2007

Die Ghaselen des Hafiz

Der persische Lyriker Hafiz wurde 1320 in Schiraz, der Hauptstadt der Provinz Fars, geboren; er lebte dort und starb im Jahre 1389. Noch heute gilt in der iranischen Welt seine Gedichtsammlung, der Divan, nach dem Koran als meistgelesener Text. Man kennt ihn auswendig und verwendet ihn als Buchorakel. Er gilt als der Gipfel der persischen lyrik.
Goethe erkor Hafiz zu seinem "Zwilling" und schuf den "West-östlichen Divan", der 1819 erschien. Dieses Werk trat in zwei Teilen auf: einer Gedichtsammlung in zwölf thematisch gegliederten "Büchern" und einem Kommentar, der eine Kulturgeschichte des Vorderen Orients, der muslimischen Welt und ihrer Literatur entwarf.
Das arabische Wort "Divan" bezeichnet eine "Versammlung". Es kann eine Ratsversammlung gemeint sein, oder eine Gedichtesammlung. Der Divan eines Dichters umfaßt in der Regel sein lyrisches Lebenswerk.
Die Gedichtart, in der Hafiz brilliert, ist das Ghasel. Schon Jahrhunderte vor ihm wurden Liebeslieder in Ghaselenform geschrieben. Das Ghasel, die Grundbedeutung des Wortes ist "Gespinnst" oder auch "Flirt", besteht aus 6 bis 12 Langzeilen.


He 200

Gedenk der Zeit, da insgeheim dein Blick auf mir geruht,
der Schriftzug deiner Liebe auf meinem Gesicht erkennbar war.

Gedenk der Zeit,da dein Auge mich mit seinem Vorwurf tötete
und das Jesus-Wunder auf deiner Zuckerlippe lag.

Gedenk der Zeit, da der Morgentrunk erklang in trautem Beisammensein,
nur ich und der Freund waren da, und Gott war mit uns.

Gedenk der Zeit, da deine Wange als Freudenkerze aufleuchtete
und dieses mein versengtes Herz der furchtlose Schmetterling war.

Gedenk der Zeit, da beim Mahl voll Anstand und Gesittung
der berauschtes Gelächter aufschlug, der rote Wein war.

Gedenk der Zeit, da, während der Rubin im Becher auflachte,
zwischen mir und deiner Grantlippe Geschichten sich abspielten.

Gedenk der Zeit, da mein Mond sich einen Haarknoten band
und an seinem Steigbügel der neue Mond als weltdurcheilender Bote aufwartete.

Gedenk der Zeit, da ich ein Tavernenhocker war und trunken
und das, was mir heute in der Moschee fehlt, damals war.

Gedenk der Zeit, da mit deiner Einhilfe den richtigen Platz fand
jedwedes ungeschliffene Vers-Juwel, das Hafiz eigen war.

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