Montag, 26. April 2010

Wie wird der Tod zum Freund?

Claudia Bausewein (Palliativmedizinerin) im Interview mit Lisa Seelig
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FRAGE: Über das Thema Sterbehilfe wird offen diskutiert. Ansonsten, heißt es doch immer, würden westliche Gesellschaften wie unsere den Tod verdrängen.

ANTWORT: Es gibt einen faszinierenden Text vom jungen Mozart, der sinngemäß lautet: "Ich mache mich mit dem Tod vertraut, ich mache ihn zu meinem Freund, damit er mich später nicht so überrascht." Die Frage ist: Sind wir glücklich, wenn wir ihn verdrängen und ihn am Ende als letzte große Überraschung erleben? Aber auch, wer sich sein Leben lang mit dem Tod beschäftigt, hat keine Garantie auf ein friedliches Sterben. Die gibt es nicht. Man könnte meinen, dass gläubige Menschen, für die Sterben eine andere Dimension hat, weil sie an ein Leben nach dem Tod glauben, leichter sterben. Das ist überhaupt nicht so! Ich habe Menschen erlebt, die ihr ganzes Leben lang tiefgläubig waren und am Ende so sehr gehadert haben. Und andere, die noch nie in ihrem Leben eine Kirche von innen gesehen haben und total friedlich gestorben sind.

FRAGE: Kann ich denn durch einen bewussten Umgang mit dem Thema Sterben dafür sorgen, dass es mir am Ende leichter fällt zu gehen?

ANTWORT: Nein. So unterschiedlich Menschen sind, genauso unterschiedlich sterben sie. Ich habe Patienten erlebt, von deren Gelassenheit ich beeindruckt war, die alles sortierten, Briefe an die Enkelkinder schrieben - und die dann, als es ans eigentliche Sterben ging, am Ende doch nicht loslassen konnten. Bei manchen ist es genau umgekehrt. Ich habe eine sehr berührende Erinnerung an eine junge Patientin von Anfang Dreißig. Sie litt an Gebärmutterhalskrebs und hatte nur noch einige Wochen zu leben. Sie wollte, so schien es, ihre Situation nicht wahrhaben, plante weiter ihr Leben, plauderte über Reisen. Das ganze Team rang mit sich, aber sie war so fest und klar - niemand traute sich, etwas zu sagen. Als ich einmal mit ihr sprach, sagte sie: "Ich weiß es ganz genau, aber ich halte es nicht aus, immer drüber zu reden." Das Team ließ sie in Ruhe. Sie war noch vier Wochen bei uns, lag mit ihrem Mann auf einem kleinen Balkon in der Sonne, die beiden wirkten wie ein Sommerfrische-Ehepaar, dann ist sie gestorben. Der Mann sagte mir später, es seien die schönsten und wertvollsten Wochen ihres Lebens gewesen.


Text: F.A.Z., 17.04.2010, Nr. 89 / Seite Z6

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