Freitag, 30. April 2010

Auf den Tod habe ich überhaupt keine Lust

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Über den Tod denke ich nach, seitdem ich fünf bin. Meine Mutter erzählte mir, daß ich sie mit fünf fragte, was passiert, wenn man stirbt. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte, hat dann irgend etwas gemurmelt, und ich habe nicht lockergelassen, ich wollte es wissen. Ich ging immer wieder zu meiner Mutter, zu der Person, die alles weiß, aber sie wußte eben auch nicht alles. Sie hat dann so etwas gesagt wie: Wenn du in das Alter kommst, hat die Medizin schon ein Mittel dagegen gefunden. Diese Erfahrung beschäftigt mich seit ewig, aber das ist ja eigentlich klar. Manchmal beschäftigt es mich aktiv, dann werde ich sehr deprimiert, und manchmal nicht. Im Moment zum Beispiel denke ich, daß ich die nächsten vierzig Jahre noch lebe, und deswegen ist es kein Thema. Aber kurz bevor ich zum Arzt gehe, ist es immer Thema. Und wenn ich so einen Test gemacht habe und auf die Ergebnisse warte, ist es natürlich auch ein Thema. Zweiundachtzig ist immerhin alt.

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Peter Zadek - Die Wanderjahre: 1980-2009, Kiepenheuer&Witsch
FAS 25. April 2010 Nr 16 Feuilleton 27

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