Sonntag, 29. Juni 2008

Was wir während der Fußball-Europameiserschaft über uns gelernt haben...

-dass Fußball tatsächlich nichts mit Mathematik zu tun hat, weil 4-2-3-1 im Fußball eben nicht gleich 4-2-3-1 ist. Was die Spiele der Deutschen gegen Portugal und die Türkei uns bewiesen haben;

-dass "schlussendlich", um es mit Urs Meier zu sagen, jeder, aber auch jeder Fernsehkommentator unerträglich ist, weshalb dringend die Möglichkeit geschaffen werden muss, nur den Stadionton zu empfangen;

-dass die sogenannte Weltregie ein Fußballspiel in der Fernsehübertragung noch mehr entstellen kann, als man es nach der WM 2006 angenommen hatte;

-dass die Uefa von einem gemeingefährlichen Regulierungswahn besessen ist, weil sie Spieler und Trainer entmündigt, Strafen für Handlungen verhängt, die in keinem Kindergarten geahndet werden würden, und an zunehmendem Realitätsverlust leidet, weil sie in der Fernsehübertragung Geschehnisse in den Stadien unterschlägt, die nicht in ihr Weltbild passen;

-dass wir selber unbelehrbar sind, weil wir das alles wissen und dennoch kein einziges Spiel verpasst haben;

-dass ein gelungener Spielzug einen so mitreißt wie ein toller Song, auch wenn man die Mannschaft oder die Band im Grunde gar nicht mag, aber vor der Schönheit des Vorgetragenen kapitulieren muss;

-dass Fußball so rätselhaft ist wie ein großer Text, weil man auch nach Jahrzehnten etwas entdecken kann, das einen umhaut.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 29. Juni 2008, Nr 26

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