Auf Gott ist kein Verlass. Den Ungläubigen zeigt er sich nicht. Seine Gläubigen lässt er im Stich. "Tränen sind mein Brot, da sie den ganzen Tag zu mir sagen: Wo ist dein Gott?", heißt es im 42. Psalm. Doch während dies die anderen Gläubigen alle, Juden wie Christen, tief betrübt, belustigt es die Kölner. Sie sind ja selber unzuverlässig. Mit ihrer Unzuverlässigkeit haben sie die Preußen so zur Verzweiflung getrieben wie der biblische Gott seine jüdischen und christlichen Gläubigen. Ihnen, den Kölnern ganz allein, ist ein unzuverlässiger Gott lieber als ein zuverlässiger. Als Komplize in der schelmischen Unzuverlässigkeit gehört er zur kölnischen Familie. Drum haben fast alle religiösen Witze aus Köln mit dem unzuverlässigen Gott zu tun. Soll ich einen erzählen?
Nach einem langen Leben als Zechbruder und als Pumpgenie kommt Tünnes in den Himmel. Gleich begegnet ihm der liebe Gott. Um gute Umgangsformen bemüht, stellt Tünnes sich vor: "Jestatten Se, Tünnes." Der liebe Gott seinerseits, genauso höflich, wenn auch etwas knapper: "Leeve Jott." Danach, meint Tünnes, sei es auch schon Zeit für das vertrauliche Du. "Leeve Jott", beginnt er die himmlische Unterhaltung, "ist es eigentlich wahr, dass für dich tausend Jahre sind wie ein Tag?" - "Noch weniger", antwortet der liebe Gott, "sie sind für mich wie ein Minütchen." - "Wie viel", fragt Tünnes weiter, "sind dann für dich eine Million Mark?" - "Och", antwortet der liebe Gott, "nicht mehr als ein Groschen." - "Ah", sagt Tünnes, "dann leih mir bitte einen Groschen!" - "Gerne", antwortet der liebe Gott, "warte nur ein Minütchen!"
Hans Conrad ZanderText: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.01.2010, Nr. 4 / Seite 9
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