Mittwoch, 16. Dezember 2009

Der blecherne Teller

Über die Armut ist alles gesagt.
Daß sie hartnäckig ist, zäh, klebrig.
Daß sie niemanden interessiert,
außer die Armen. Langweilig ist sie.
So emsig, daß ihr keine Zeit bleibt,
über Langeweile zu klagen.
Sie ist wie der Dreck. Dort,
wo unten ist, ist sie,
stört, steckt an, stinkt.

Sie fällt auf durch Allgegenwart.
Es ist, als wäre sie ewig.
Göttliche Attribute. Hilfreiche,
Heilige suchen sie, Mönche
und Nonnen sind mit ihr verlobt.
Alle anderen, lebenslänglich
auf der Flucht vor ihr, holt sie
mit ihrem blecheren Teller
majestätisch und unbewegt

an der nächsten Ecke ein.

Hans Magnus Enzensberger

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