Dresscode fürs BüroVon Christian Siedenbiedel
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es eigentlich ausgerechnet für Banker so eine strenge Kleiderordnung gibt? Jedem, der zum ersten Mal nach Frankfurt kommt und zum Beispiel mittags über den Platz vor der Alten Oper spaziert, fällt die hohe Zahl von Anzugträgern auf - einige eher konservativ-bieder, andere modisch-aufgebrezelt. In Köln würden die Leute einen fragen, ob man aus Düsseldorf kommt, wenn man so herumliefe.
Trotzdem hat die Schweizer Großbank UBS (das ist die mit den hohen Abschreibungen in der Finanzkrise) vorige Woche für Aufmerksamkeit gesorgt, als deren überaus strenge Kleiderordnung von der Genfer Zeitung "Le Temps" veröffentlicht wurde. Nicht nur dunkler Anzug, weißes Hemd und Krawatte sind bei den Bankern demzufolge vorgeschrieben. Es gibt auch genaue Regeln, keine gemusterten Socken zu tragen, alle vier Wochen zum Friseur zu gehen und beim Anziehen der Schuhe Schuhlöffel zu verwenden. Vor allem aber ist "knitterfreie und hautfarbene Unterwäsche" verpflichtend.
Was mag dahinterstecken? Auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer laufen ja nicht in alten Jeans herum. Aber nirgendwo wird so auf die Kleidung geachtet wie in den Banken.
Einmal, einen kurzen Sommer lang, war das anders: Damals, auf dem Höhepunkt der New Economy, machten "Turnschuh-Banker" von sich reden: junge Leute, die es mit der Kleiderordnung nicht so genau nahmen. Doch sie verschwanden so schnell wie die Dotcom-Firmen, die sie betreuten.
Vielleicht braucht man gerade da strenge Regeln für das Auftreten, wo das Vertrauen der Kunden nicht naturgegeben ist? Vielleicht müssen gerade Banker besonders seriös angezogen sein, weil die Menschen ihnen gegenüber besonders skeptisch sind? Das würde auch erklären, warum gerade jetzt nach der Finanzkrise die Kleiderordnung verschärft wird - im Boom der Dotcom-Jahre hingegen ein wenig gelockert wurde.
Manchmal ist aber eine gewisse Uniformität auch von Vorteil. Man nehme nur die Regel mit der hautfarbenen Unterwäsche. Man stelle sich vor, ein Kunde sei vor der Finanzkrise beim Kauf eines Lehman-Zertifikats von einer hübschen Bankmitarbeiterin bedient worden, bei der schwarze Spitzenunterwäsche durchschimmerte. Er würde doch heute mit Sicherheit vor irgendein Gericht ziehen und klagen, er sei beim Kauf des vermaledeiten Wertpapiers irgendwie abgelenkt gewesen. Umgekehrt eine Oma bei einem jungen Berater natürlich genauso. Also, Banker: grauer Anzug zu grauen Haaren - am besten mit mausgrauem Einstecktuch.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.12.2010, Nr. 50 / Seite 46
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