Samstag, 2. Februar 2008

Fortsetzung - Gier frißt Hirn...

"Das gilt auch für Schumacher und Beckenbauer"; Finanzminister Peer Steinbrück
Warum reiche Deutsche ins Land gehören und die Bundesliga russische Oligarchen fernhalten soll
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SZ: Bundespräsident Horst Köhler warnt vor wachsender Ungleichheit. Manager kassieren Millionengehälter und dicke Abfindungen, selbst wenn sie ihren Betrieb oder ihre Bank an den Rand der Pleite gewirtschaftet haben. 80 Prozent der Bundesbürger hingegen haben das Gefühl, dass bei ihnen der Aufschwung nicht ankommt. Für viele ist Mindestlohn ein Thema oder Hartz IV.
Steinbrück: Die Frage nach dem Zusammenhalt, der sozialen Stabilität stellt sich in der Tat. Unsere Gesellschaft ist Fliehkräften ausgesetzt, die sehr ernst zu nehmen sind. Zwischen Arm und Reich, Alt und Jung. Zwischen Stadtvierteln, die sozial abstürzen, und besseren Gegenden. Zwischen denjenigen, die mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien spielen können, und denjenigen, die als die Analphabeten des Informationszeitalters angesehen werden. Und schließlich zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Man merkt, dass sich hier etwas auseinanderentwickelt. Ich erwarte von der Manager-Elite in Unternehmen und Finanzinstituten, Augenmaß zu bewahren und nicht durch Maßlosigkeit, Übertreibungen und auch Gier das Modell der sozialen Marktwirtschaft zu erschüttern.
SZ: Sie fordern Reiche auf, im Land zu bleiben und eine besondere Vorbildfunktion wahrzunehmen, anstatt in steuerlich günstigeren Nachbarländern zu residieren. Denken Sie dabei auch an Sportgrößen wie Franz Beckenbauer und Michael Schumacher?
Steinbrück: Ja. Es waren die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland, die sie in den Stand versetzt haben, weit überdurchschnittlich zu verdienen. Was ihnen von Herzen gegönnt ist. Das ist nicht die Neiddebatte, mit der viele versuchen, Diskussionen über Ungerechtigkeit und Ungleichheit abzubiegen. Ich finde, sie sind verpflichtet, dieser Gesellschaft etwas zurückzugeben.
SZ: In der Diskussion über zu hohe Managergehälter kritisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert auch die Gagen im Fußball. Fünf Millionen Euro im Jahr kassieren angeblich die bestbezahlten Bundesliga-Stars. Michael Ballack soll in England sogar knapp neun Millionen Euro erhalten. Er ärgere sich "erheblich über die Gehaltsexzesse", erklärte der CDU-Politiker.
Steinbrück: Ich kann mich dieser Meinung anschließen. Auf Dauer hält kein System Übertreibungen aus. Das gilt für Gehälter im Fußball genauso wie in der Politik und bei Managern. Im Sport wird einer Kommerzialisierung Vorschub geleistet, die schädlich ist und bei vielen Fans Abwehr und Abkehr auslösen wird.
SZ: DFB-Präsident Theo Zwanziger hat die Initiative der Europäischen Fußball-Union angekündigt, eine Gehaltsobergrenze für Fußballprofis einzuführen. Was halten Sie davon?
Steinbrück: Ich kenne diese Initiative nicht, aber sie erscheint mir sehr vernünftig. Überhaupt möchte ich Herrn Zwanziger ein Kompliment für seine Anstrengungen machen, etwa bei der Förderung des Frauenfußballs oder der Bekämpfung von Gewalt und Rassismus. Er ist ein hervorragender Repräsentant des deutschen Fußballs.
SZ: Nach der 50-plus-1-Regelung müssen die Vereine jeweils die Mehrheit an ihrer Kapitalgesellschaft halten. Oligarchen wie Roman Abramowitsch bei Chelsea London oder Alischer Usmanow beim FC Arsenal sind in der Bundesliga unerwünscht. Doch damit fehlt auch das Geld, um die weltbesten Spieler anzulocken. Sollte sich die Bundesliga für Investoren öffnen?
Steinbrück: Nein. Es wäre ein weiterer Schritt zu dieser völligen Durchkommerzialisierung. Die Gesellschafter, die man dann hat, geben ihr Geld ja nicht aus Altruismus. Die haben ein Rendite-Interesse und wollen Margen von oberhalb zehn Prozent. Aber das viel wichtigere Argument ist: Die Vereine leben auch von Identitätsstiftung und Identitätsbildungen. Warum sollen Zuschauer ihr Herz an einen Klub hängen, der sich nicht mehr von einem normalen Unternehmen unterscheidet. Wenn die emotionale Bindung der Mitglieder und Fans kaputtgeht, droht auch die ökonomische Gefährdung.
SZ: Würden Sie Aktien von Borussia Dortmund kaufen, Deutschlands einzigem börsennotierten Fußballklub?
Steinbrück: Würden Sie welche kaufen? Bei allem Respekt vor der Konsequenz und dem Erfolg, wie der Geschäftsführer Watzke den Verein saniert: Diejenigen, die solche Aktien kaufen, tun das doch eher aus Sympathiebekundung.
SZ: Der geschäftstüchtige Schwabe Uli Hoeneß hat Dortmunder Aktien gekauft, das heißt, genauer gesagt, seine Frau.
Steinbrück: Ich würde mir trotzdem keine kaufen.
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Süddeutsche Zeitung, 2. Februar 2008

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