Dienstag, 10. Juli 2012

Im Namen Allahs?


Wo leiden die Christen besonders?
Besonders schlimm ist es auf der Arabischen Halbinsel, in Saudi-Arabien, aber auch in Pakistan, Afghanistan, Nigeria, in Sudan und im vermeintlichen Urlaubsparadies Malediven. Auch in Ägypten gibt es immer mehr Fälle von massiven Übergriffen gegen die Christen.
Sind die Repressionen perfider geworden?
Ja, aber gleichzeitig auch offener und brutaler. Perfider und geradezu absurd, indem man beispielsweise schon das Tragen von christlichen Symbolen zum Anlass nimmt, jemanden zu schikanieren und zu verhaften. In Saudi-Arabien ist es beispielsweise verboten, ein kleines Kreuz um den Hals zu tragen, ein Gebetbuch bei sich zu haben. Die Angst vor christlicher Symbolik reicht dort bis zum roten Kreuz auf dem Erste-Hilfe-Koffer. In allen nahöstlichen Ländern werden Christen allein wegen ihres Namens benachteiligt, bei der Wohnungssuche, bei Universitätsprüfungen, am Arbeitsplatz. Das ist deswegen perfide, weil nicht nachweisbar ist, dass George bessere Karten gehabt hätte, hieße er Mohammed. Viele Christen konvertieren deswegen zum Islam, nicht aus religiöser Überzeugung, sondern weil sie diese tagtägliche Diskriminierung satthaben.
In Saudi-Arabien ist es auch verboten, eine Bibel einzuführen. In Deutschland können Salafisten Koran-Exemplare verteilen. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Wut. Muslime haben hier das ungeteilte Recht auf freie Religionsausübung. Dafür werde ich mich immer einsetzen. Dass die Salafisten dieses Recht für sich in Anspruch nehmen, solange es ihnen nützt, aber es nicht vertreten – darauf kann man auch nicht häufig genug hinweisen. Hier können Salafisten den Koran verteilen, in Iran ist allein der Besitz einer persischsprachigen Bibel verboten, werden immer wieder Bibeln zu Hunderten vernichtet. Das ist eine unerträgliche Schieflage.
Im Namen Allahs? Hinter dem Titel steht ein Fragezeichen. Die Verfolgung geschieht oft im Namen Allahs, aber ist sie in seinem Sinne?
Das kann ich nicht beantworten, aber das hoffe ich nicht. Schließlich gibt es auch viele moderne Muslime, die ein gleichberechtigtes und solidarisches Miteinander suchen. Und das auch aus dem Islam heraus begründen.
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 01.07.2012, Nr. 26, S. 11
Rita Breuer: Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam. Herder

Keine Kommentare: