Owê, sol aber mir iemer mê
geliuhten dur die naht
noch wîzer danne ein snê
ir lîp vil wol geslaht?
der trouc diu ougen mîn:
ich wânde, ez solde sîn
des liehten mânen schîn,
dô taget ez.
Owê, sol aber er iemer mê
den morgen hie betagen?
als uns diu naht engê,
daz wir niht durfen klagen:
"owê, nu ist ez tac",
als er mit klage pflac
do'r jungest bî mir lac,
dô taget ez.
Owê, si kuste âne zal
in deme slâfe mich.
dô vielen hin ze tal
ir trêne nicersich,
iedoch getrôste ich sî,
daz si ir weinen lî
und mich al ummevî.
dô taget ez.
Owê, daz er sô dicke sich
bî mir ersêen hât!
als er endahte mich,
sô wolte er sunder wât
min arme schouwen blôz.
ez was ein wunder grôz
daz in des nie verdrôz.
dô taget ez.
Heinrich von Morungen
Frankfurter Anthologie, Peter von Matt
FAZ 16. Oktober 2010 Nr 241
Der Mann: O weh, soll mir denn nie mehr durch die Nacht leuchten ihr schöngeformter Leib, weißer als Schnee? Er betrog meine Augen, denn ich glaubte, es sei der Schein des hellen Mondes.
Da wurde es Tag.
Die Frau: O weh, wird er nie mehr bis zum Morgen hierbleiben? Ach möchte doch einmal die Nacht so vergehen, dass wir nicht klagen müssen: O weh, jetzt ist es Tag, wie er es klagend tat, als er jüngst bei mir lag.
Da wurde es Tag.
Der Mann: O weh, sie küsste mich unzählige Male im Schlaf, und ihreTränen fielen auf mich nieder. Doch ich tröstete sie, dass sie das Weinen ließ und mich ganz umfing.
Da wurde es Tag.
Die Frau: O weh, dass er sich so oft in meinen Anblick verloren hat! Als er die Decke von mir zog, wollte er mich Arme ohne Kleider sehen, ganz entblößt. Ein großes Wunder war's, dass er dessen nie müde ward.
Da wurde es Tag.
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