Donnerstag, 15. Juli 2010

Gerechtigkeit

Der „gerechte Preis" ist eine fixe Idee der Wirtschafts­ethik. Dasselbe gilt für Ein­kommen. Was ist ein angemessener Preis für geleistete Arbeit? Es gibt bis heute keine ökonomische Theo­rie der Lohnstruktur, die begrün­den könnte, weshalb die einen mehr, die anderen weniger verdie­nen. Arbeitsleid? Bildung? Uner­setzbarkeit? Das alles kann nicht er­klären, was Josef Ackermann oder Mick Jagger einstreichen. Und also meldet sich der Verdacht: Es gehe bei den Einkommen ungerecht zu.
Die Soziologen Thomas Hinz (Konstanz) und Stefan Liebig (Bie­lefeld) haben zusammen mit Mitar­beitern eine Studie zur Einkom­mensgerechtigkeit in Deutschland vorgelegt. Sie kommt zunächst zu den üblichen Ergebnissen: Die Ein­kommen sind stark ungleich, die Steuersätze mäßigen das, im Trend nimmt die Ungleichheit aber seit den neunziger Jahren trotzdem zu.
Befragt danach, ob sie die Ein­kommensverteilung gerecht finden, antworteten fast alle mit Nein. Au­ßerdem erwarten die meisten, dass die Ungleichheit weiter steigen wird. Ein Drittel der Leute empfin­det sein Einkommen als gerecht. Zu hoch findet fast niemand, was er erhält. Vor allem Arbeiter und Selbständige sehen sich ungerecht niedrig entlohnt. Ob es allerdings die Selbständigen vom Flohmarkt oder die Zahnärzte sind, die fin­den, ihnen stehe mehr zu, verrät die Studie nicht. Immerhin scheint klar, dass mit der Höhe des Ein­kommens das Gefühl wächst, es sei mit dem Einkommen alles in Ord­nung. Beamte sind aber auch so ver­gleichsweise zufrieden.

Jürgen Kaube
FAS 11. Juli 2010 Nr 27 Wissenschaft 53

Thomas Hinz, Stefan Liebig ua: "Bericht zu Studie Einkommensgerechtigkeit in Deutschland", Universität Bielefeld und Konstanz, Mai 2010

Keine Kommentare: