Sonntag, 18. November 2007

Endlich sagt einer mal die Wahrheit...

Uli, Du bist unser Robin Hood!Denn Du ziehst den "Reichen" das Geld aus der Tasche / Von Django Asül
Liebes Bayern-Präsidium,
seit Stunden sitze ich am PC und finde nicht den richtigen Einstieg. Unzählige Male habe ich angesetzt und den temporär vorhandenen Gedanken doch wieder verworfen. Aus Angst, dass der Anfang nicht offen genug gerät. Denn Ihr habt die Messlatte verdammt hoch gelegt in der letzten Woche mit Eurem offenen Brief. Im Nachhinein könnte man glatt meinen, bis letzte Woche war alles sehr unoffen.
Es war wohl eine Kumulation von zu lange Unterdrücktem, die zu dieser Eruption auf beiden Seiten (also Vereinsführung und Fans) geführt hat. Wer verheiratet ist, kennt diese Situation aus dem Alltag: Jahrelang lässt der Mann seine Klamotten irgendwo in der Wohnung verstreut herumliegen, während die Frau aus Rache ihm allabendlich ein lauwarmes Essen hinstellt. Aber jetzt mal weg von der Ehe und zurück zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben: also zu unserem Verein.
Dass gerade Du, Uli, erst ausrastest und hinterher, Dich entschuldigend, zurückruderst, zeugt unbestritten von großer Liebe. Durch die Attacke auf die Fans in der Hauptversammlung offenbarte sich die tiefe Zuneigung gegenüber dem Klub, den du verteidigst wie eine Löwin die benachbarten Elefantenjungen. Die Entschuldigung kann man als respektvolle Sympathiebekundung gegenüber den Anhängern verstehen. Oder aber als rationalen Schritt, um die Fans wieder versöhnlich zu stimmen zwecks weiterer Wertschöpfung.
Dir, lieber Uli Hoeneß, wollen wir mal generös Ersteres unterstellen. Weil Du Dir nach eigenem Bekunden seit fast drei Jahrzehnten als Manager einen bestimmten Körperteil aufreißst, damit der Laden läuft. Akzeptiert. Du bist im Prinzip Bayerns selbsternannte Antwort auf Robin Hood: Du ziehst den "Reichen" nicht die Lederhosen aus, sondern ihnen das Geld aus der Tasche in den Logen, um damit im weitesten Sinne die Südkurve zu subventionieren. Selbstverständlich ist die Stimmung eher das Aufgabengebiet der Fans. Mangelnde Atmosphäre muss man nicht dem Präsidium vorwerfen. Und auf Schalke oder in Dortmund gibt es auch nicht weniger Logen oder ähnliche "gedämpfte Zonen".
Aber - von außen und im Nachhinein lässt sich das natürlich leicht feststellen - der Aufschrei einiger Fans war wohl weniger fundierte Kritik denn der Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit. Die treue Anhängerschar macht die Seele des Vereins aus. Ihre Leidenschaft will erwidert werden von den höchsten Repräsentanten des Vereins. Zu Recht. Das darf und wird einem Hoeneß nicht schwerfallen. Und den Kollegen Kalle Rummenigge und Karl Hopfner ohnehin nicht. Kalle als Ehemaliger weiß um die Wichtigkeit der Fans. Und Karl mag generell Menschen, die für eine gute Sache einstehen. Und dass der FC Bayern eine gute Sache ist, ist ja wohl allen Beteiligten klar. Wenn also ohnehin alle im Grunde ihres Herzens an einem Strang ziehen, spricht nichts dagegen, sich so was öfter ins Gesicht zu sagen. Das bedingt Kontakt und Kommunikation von allen und für alle.
Vielleicht war es nur ein blöder Zufall, dass die Hauptversammlung in einer Zeit sportlicher Irritationen stattfand. Ja, vielleicht lagen die Nerven blanker als sonst, weil die Mannschaft zuletzt mehrfach desolat bis demotiviert auftrat. Glänzt das Team wieder, werden sich alle Fans richtig heimisch fühlen in der Arena.
Deshalb sei am Schluss dieses offenen Briefes auch ein Wort an die Athleten gerichtet: Burschen, hängt euch rein! Lasst das Präsidium nicht im Regen stehen und eure Spielfreude von der Leine. Wärmt die Fans mit eurem Budenzauber. Der Winter wird sowieso noch lang genug.
Herzlichst,
Django Asül
Der Autor ist deutscher Kabarettist mit türkischem Pass. 1972 in Niederbayern geboren, steht er zum FC Bayern München.Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.11.2007, Nr. 46 / Seite 20

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