Professor Harald Welzer schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 4. Januar 2009, Nr 1, Seite 18:
...Oder mag sich jemand die Vorstellung zumuten, dass die von 9 Milliarden Menschen bevölkerte Welt des Jahres 2050 so voll von Volkswagen und Opels ist wie in Castrop-Rauxel heute? Verfolgt ernsthaft irgendjemand die Utopie, den westlichen Lebensstandart ins Globale verlängern zu wollen - inklusive der damit verbundenen Ernährungs- und Emissionsgewohnheiten und der gnadenlosen Überfordereung der noch verbliebenen Ressourcen?
Die Unfähigkeit, sich eine Welt vorzustellen, die anders ist als die von heute, gilt für Angehörige der politischen Elite in beide Richtungen: ein Scheitern unseres Gesellschaftsmodells ist in der laufenden Legislaturperiode nicht vorgesehen, genauso wenig ein Paradigmenwechsel in der Definition der Aufgaben und Lösungsversuche angesichts fundamental neuer Problemlagen.
...Insofern kann es, wenn man zum einen die Illusion der Realpolitik nicht teilen mag und zum anderen von der Leitkultur der Verschwendung und der Zivilreligion des heiligen Wachstums wegkommen will, nur um die Wiedererfindung einer außerparlamentarischen Opposition gehen: also um die Wahrnehmung des bürgerschaftlichen Mandats, die eigene Gesellschaft auch dann zu verändern, wenn die Politiker dazu keinerlei Möglichkeiten sehen.
...Diese Apo 2.0 wird gerade auf die Eliten setzen, weil diese - in den Redaktionen, in den Agenturen, in den Kanzleien, in den Vorständen - über die weitesten Handlungsmöglichkeiten und größten Ressourcen für spürbare Veränderungen verfügen.
...Beispiele hierfür gibt es bereits genug..
Eine solche Apo wäre mühelos nicht nur in der Lage, diejenigen, die gewählt werden wollen, unter massiven Innovationsdruck zu setzen, sondern mit kollektiven Lernerfahrungen auch jenes Idenditätsgefühl entstehen zu lassen, welches erst zu definieren ermöglicht, welche Art von Gesellschaft man in Zukunft sein möchte.
...Veränderung ist möglich, wenn man den Auftrag dazu nicht an andere weiter gibt.
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