Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verloren,
Lassen muß was er erkoren,
Das geliebte Herz.
Der versteht in Lust die Tränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Anderen sich finden,
Dass der Zweiheit Grenzen schwinden
Und des Daseins Pein.
Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet's nicht
Daß für Freuden, die Verloren,
Neue werden neu geboren:
Jene sind's doch nicht.
Das geliebte, süße Leben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Gibt kein Gott zurück.
Karoline von Günderode
Frankfurter Anthologie
FAZ Seite 16 Samstag, 23. Juli 2016 Nr 1780
Eine Gedichtlesung von Thomas Huber finden Sie unter www.faz.net/anthologie
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