von richard wagner
Dass der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wenig Rückhalt in der Bevölkerung hat, mag mit der "Freikaufmentalität unserer postheroischen Gesellschaft" (Herfried Münkler) zusammenhängen. Diese Einstellung ist verständlich. Denn warum sollte eine Gesellschaft auch Opfer bringen, wenn der Schauplatz der "kriegsähnlichen Zustände" Tausende Kilometer entfernt liegt und die von diesem Land ausgehende terroristische Bedrohung notgedrungen abstrakt bleibt? Das Unbehagen weiter Teile der Bevölkerung hat aber noch andere Gründe: Man hat sich dort weniger Illusionen hingegeben über die Verwandlung einer auf eingewurzelten Traditionen beruhenden Stammesgesellschaft als die politische Klasse.
Der Einsatz in Afghanistan sollte nicht nur einen Unruheherd unter Kontrolle bringen, der den blutdurstigen Terroristen von Al Qaida Unterschlupf bot. Das Land sollte demokratisch und gesellschaftlich nach westlichem Vorbild erblühen. Es brauchte indes nicht das Durcheinander um die Präsidentenwahl und die andauernde Gewalt zwischen den verfeindeten Ethnien, um die Vermessenheit dieses Projektes zu erkennen.
Es mag schwerfallen, sich einzugestehen, dass das westliche Gesellschaftsmodell nicht überall auf der Welt anziehend wirkt. Diese Einsicht braucht es aber. Dann lässt sich vielleicht, wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Uhl, meint, allein mit "nachrichtendienstlichen Mitteln" verhindern, dass Afghanistan wieder zur Brutstätte des Terrorismus wird. Ob so das vordringlichere Problem Pakistan gelöst werden kann - das Land verfügt über Atomwaffen und gerät immer stärker unter Druck der hauseigenen Taliban -, ist unsicher. Ein Optimismus, der sich um die schorfige Wirklichkeit nicht schert, muss aber teuer bezahlt werden. Die Amerikaner können davon ein vietnamesisches Lied singen.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 08.11.2009, Nr. 45 / Seite 14
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